Leihgabe Kunstwerk


 

Im kürzlich eröffneten Hong Kong Palace Museum sind derzeit mehr als 120 hochkarätige Kunstwerke der Fürstlichen Sammlungen zu sehen. In diesem Zusammenhang haben wir mit Dr. Johann Kräftner, Direktor der Fürstlichen Sammlungen, über die generelle Relevanz von Leihgaben, aktuelle Ausstellungen und die Konsequenzen beschlagnahmter Kunstwerke gesprochen.

 

 

Zu Beginn ganz allgemein gefragt: Wie wichtig sind Leihgaben für das Ausstellungswesen?


Auf der einen Seite ist es durchaus möglich, Ausstellungen aus den eigenen Beständen zu bestreiten. Um aber Künstler, Themen, Epochen umfassend darstellen zu können, ist es auch notwendig, die angestrebten Inhalte durch Leihgaben zu fokussieren und besondere Schwerpunkte zu setzen. Das gilt für die eigenen Ausstellungen genauso wie für andere Häuser. Durch technische und finanzielle Einschränkungen - und die dadurch in geringerer Zahl verfügbaren Leihgaben - sieht man gerade in Wien sehr gut, wie auch das Niveau der Ausstellungen zum Teil stark gesunken ist.

 

Ein Teil der Fürstlichen Sammlungen wird dauerhaft im GARTENPALAIS und STADTPALAIS Liechtenstein in Wien präsentiert. Waren die Fürstlichen Sammlungen schon immer interessiert, im Rahmen von Leihgaben auch in anderen Ausstellungshäusern und internationalen Museen präsent zu sein?

 

Die Fürstlichen Sammlungen beinhalten eine der großartigsten und wertvollsten privaten Kunstsammlungen, allein um diesem Anspruch gerecht werden zu können, müssen diese Sammlungen auch der Museumswelt in großem Umfang zur Verfügung gestellt werden. Uns ist es wichtig, ja, es ist geradezu unser Selbstverständnis, im Zusammenklang der bedeutendsten Häuser, der Nationalmuseen, gesehen zu werden und in diesem Orchester auch mitzuspielen.

 

Durch Leihgaben, so steht es auf Ihrer Website, werden Objekte der Fürstlichen Sammlungen in neue Zusammenhänge gebracht. Wo liegen denn die Herausforderungen, wenn ein Werk in einen anderen inhaltlichen oder räumlichen Kontext integriert werden soll?
 

Ausstellungen lassen allein schon durch die neue Umgebung für die Objekte, die Ausstellungsarchitektur, aber auch durch die Wahl der Objekte selbst, mit denen sie zusammen gesehen werden können, Neues entstehen. Man fasst neue Gedanken, man erkennt Facetten, die einem vielleicht bis dato verborgen geblieben sind, die Kollegen und Kolleginnen in den anderen Häusern wissen oder man kommt im Zuge der Bearbeitung zu Erkenntnissen, die vielleicht noch nicht bekannt waren.

 

Die Fürstlichen Sammlungen sind bis 20. Februar in Hong Kong zu Gast. Mehr als 120 hochkarätige Kunstwerke werden im Hong Kong Palace Museum in der Ausstellung ODYSSEYS OF ART: MASTERPIECES COLLECTED BY THE PRINCES OF LIECHTENSTEIN zu sehen sein. Wie lange wird ein Projekt mit einer solch großen Zahl von Leihgaben geplant?

 

Für so große und aufgrund des Themas auch komplizierte Ausstellungen ist die dreijährige Vorbereitungszeit dieser Schau schon recht kurz. Wir schicken keine „readymade-Ausstellungen“ um die Welt, sondern setzen uns gemeinsam mit den Kollegen und Kolleginnen vor Ort intensiv über die Inhalte auseinander, die auch dem „Geist des Ortes“ entsprechen sollen. In Hong Kong stehen der Kulturtransfer, das Aufeinandertreffen von Ost und West im Mittelpunkt sowie die Parallelität von lange anhaltender Sammeltätigkeit. Diese ist in den Fürstlichen Sammlungen ebenso manifest wie auch am chinesischen Hof, in der „Verbotenen Stadt“, dem heutigen Palastmuseum in Beijing und nun auch in dessen neu eröffnetem Ableger in Hong Kong. Dieses Haus ist der Kunst Chinas gewidmet. In der obersten Galerie wird auch Kunst aus den großen Häusern des Westens gezeigt. Die Fürstlichen Sammlungen sind die ersten, denen nun diese Ehre zukommt.

 

Wie dürfen sich Außenstehende einen klassischen „Leihgabe-Prozess“ vorstellen? Wie entscheiden Sie, ob ein Werk verliehen werden soll?

 

Man muss inhaltlich den roten Faden finden, die Geschichte, die man erzählen will und dann eine Balance zwischen jenen Objekten herstellen, die diese Geschichte erzählen können und jenen, die unbedingt erforderlich sind, um so einer Ausstellung auch Gewicht und die Chance zu geben, große Besucherzahlen anzuziehen. Grundvoraussetzung in diesem Prozess ist die Reisefähigkeit solcher Objekte, Rubens „Venus vor dem Spiegel“ oder das Doppelporträt von dessen Söhnen werden das Haus nie verlassen dürfen. Dieser Prozess der Diskussion und des Finetunings hat im Falle der Hong Kong-Ausstellung zwei Jahre gedauert, aufgrund der Corona-Pandemie in Form von langen, wöchentlich stattfindenden Videotelefonaten mit dem Team des Hong Kong Palace Museum.

 

2016 wurde die an eine Ausstellung in Aix-en-Provence verliehene „Venus“ von Lukas Cranach dem Älteren von den französischen Behörden als Fälschung beschlagnahmt. Von den Anschuldigungen entkräftet, musste die „Venus“ im vergangenen Jahr von den französischen Behörden an die Fürstlichen Sammlungen zurückgegeben werden. Nun ist sie wieder im GARTENPALAIS zu sehen. Beeinflusst ein solcher Vorfall Ihren Umgang mit Leihgaben?

 

Natürlich wird man vorsichtig, fordert Rückgabegarantien, die es ja auch für die „Venus“ von Cranach gegeben hat. Wie viel diese dann wert sind, kann man ja am Fall der „Venus“ nachvollziehen … Wir gehen sehr vorsichtig mit der Entscheidung für eine Leihgabe um, abhängig von der Korrelation der Herkunft eines Objektes, wie lange es schon in der Sammlung ist und an welchen Ort es geht.

 

Für die jährliche Sonderausstellung der Fürstlichen Sammlungen MÄRZ IM PALAIS im GARTENPALAIS Liechtenstein integrieren Sie selbst Leihgaben anderer Häuser. Welchen Stellenwert haben Leihgaben dabei und worauf dürfen sich Besucher und Besucherinnen bei der kommenden Sonderausstellung GEGOSSEN FÜR DIE EWIGKEIT. DIE BRONZEN DER FÜRSTEN VON LIECHTENSTEIN freuen?

 

Die Fürstliche Bronzen-Sammlung ist eine der weltweit besten und wäre schon für sich allein sehenswert genug. Ich will aber auch hier noch besondere Glanzpunkte durch „Gäste“ setzen: durch Leihgaben, die Epochen oder Künstler integrieren, die durch die eigenen Sammlungen nicht abgedeckt sind. Das frühe „Adlerpult“ aus dem Dom in Hildesheim aus dem frühen 13. Jahrhundert, das „Pferd mit Reiter“ Leonardo da Vincis aus Budapest (nach 1500) oder die ganz bedeutenden Leihgaben aus dem Kunsthistorischen Museum in Wien werden sicherlich besondere Attraktionen der Ausstellung sein.

 

Ich freue mich, Adrian de Fries „Christus im Elend“ zusammen mit dem „Christus an der Geisselsäule“ desselben Künstlers aus der Kunstkammer des Kunsthistorischen Museums einmal nebeneinander zu sehen, oder auf Giambolognas „Modello des Monuments für Ferdinando I. de’ Medici“ zusammen mit der gerade erworbenen monumentalen Büste Pietro Taccas. Diese Büste des für die Sammlungen der Medici so bedeutenden Fürsten ist ein Kunstwerk, das uns in einzigartiger Weise die Kraft und den Gestaltungswillen dieses Menschen an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert nahebringen kann. Mit diesem und vielen anderen Stücken wird auch Neues, noch nie Gesehenes, aus dem Fundus der Fürstlichen Sammlungen zu entdecken sein.

 

 

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Venus, Lukas Cranach der Ältere (1472–1553)
© LIECHTENSTEIN. The Princely Collections, Vaduz–Vienna

 

 

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