Die vielen Farben des Jazz


Wie man das Instrument Mikrofon lernt, wieso er die Beschreibung "Star" nicht mag und warum es im Jazz mehr Freiheiten gibt - Thomas Quasthoff anlässlich seines Auftritts bei der Sommer Rhapsodie 2023 im Gespräch



Palais Liechtenstein: Als ich Ihren Pressetext gelesen habe, bin ich an dem Satz „Ich habe ein neues Instrument gelernt, es heißt Mikrofon“ sofort hängen geblieben. Wie lernt man denn „Mikrofon“?


Thomas Quasthoff: Ich singe Jazz ja nicht erst seit drei Jahren - ich habe das auch schon gemacht, während ich klassisch gesungen habe. Insofern hatte ich schon immer Erfahrung damit, was mit einem Mikrofon möglich ist, wenn man gerade keine Aufnahme damit macht. Bei einem Mikrofon kann ich nah ran gehen und so leise singen, wie ich es bei klassischen Konzerten nicht könnte – und dadurch entsteht eine ganz besondere Intimität. Oder ich kann beispielsweise Geräusche machen wie eine Snare Drum. Das Mikrofon erlaubt mir, mit Farben zu spielen, die ansonsten nicht möglich wären. Und das noch viel mehr als beim klassischen Gesang.

Sie waren ein Klassikstar, haben sich dann aber aus der Klassikwelt zurückgezogen …


Quasthoff unterbricht

Entschuldigung, dass ich unterbreche, aber das Wort „Star“ mag ich gar nicht. Heutzutage wird dieses Wort doch viel zu inflationär gebraucht. Ein Star ist für mich jemand, der oder die 30 bis 40 Jahre lang auf höchstem Niveau erfolgreich tätig ist. Und das gilt übrigens auch für die KollegInnen, die viele Jahre auf kleinen Bühnen stehen.


Ich formuliere um: Sie haben auf allen großen Bühnen der Welt klassisch gesungen, singen jetzt aber Jazz. War die Umstellung groß?

Eigentlich ist es nicht so sehr anders. Ich habe ein Publikum, das vorher zu den klassischen Konzerten kam. Jetzt habe ich einen anderen Weg eingeschlagen und die Menschen, die gerne Jazz hören, kommen jetzt eben zu diesen Konzerten. Ansonsten ist es jetzt etwas, sagen wir, „regionaler“ für mich. Ich reise nicht mehr nach Amerika oder Asien, sondern bin mehr in Europa. Alles ist etwas überschaubarer. Aber das gefällt mir sehr gut. Schließlich bin ich 63 Jahre alt, da ist es vollkommen in Ordnung, wenn es etwas ruhiger zugeht.

Was ist beim Jazz-Singen anders als beim klassischen Gesang? Was macht dabei am meisten Spaß?

Beim klassischen Gesang ist man fest an Noten und Notenwerte gebunden und an die Vorgabe der Komponisten. Im Jazz hat man mehr Freiheiten, kann die Noten, die Melodie und die Farben viel mehr variieren. Generell sind im Jazz viel mehr Farben möglich. Außerdem spielt man viel bewusster mit den MitmusikerInnen zusammen. Wenn ich einen Liederabend singe, dann begleitet mich mein Partner am Klavier. Im Jazz reagieren meine KollegInnen auf das, was ich mache – und ich auf das, was sie tun.

Sie haben in Ihrem Leben jede Menge „himmelhochjauchzend“ und „zu Tode betrübt“ erlebt ...

Ach, wissen Sie, alle Menschen müssen mit Schicksalsschlägen umgehen. Ich habe unfassbares Glück. Nächstes Jahr feiere ich mein 50-jähriges Bühnenjubiläum. Ich bin stolz darauf, dass ich auf der Bühne stehe, weil es etwas mit Können zu tun hat. Das ist jetzt keinesfalls arrogant gemeint. Vor Kurzem habe ich in Wien ein Melodram von Ullmann gelesen. Als ich auf die Bühne kam, gab es Standing Ovations – noch bevor ich nur ein Wort gelesen hatte. Ich habe es geschafft, den Menschen etwas einzupflanzen und mitzugeben. Das macht mich stolz. Zuhause habe ich einen Schrank, da stehen alle Preise drin, die ich im Laufe der Jahre bekommen habe. Und manchmal, wenn ich dort reinschaue, dann schüttle ich den Kopf und denke mir, dass das alles gar nicht wahr sein kann.

Gibt es eine Art Lebensweisheit, die Sie gewonnen haben?

Ich bin für all die guten Dinge unendlich dankbar. Mein größtes Glück sind dabei meine Frau und meine Stieftochter. Außerdem habe ich gute Freunde und einen Beruf, der mich erfüllt. Und so bin ich jetzt wesentlich gelassener, ruhiger und entspannter geworden.

Was sind Ihre nächsten Pläne/Projekte?

Es steht ein Schlagerprojekt mit Katharina Thalbach an. Das habe ich schon einmal gemacht, diesmal geht es um Ost-/West-Schlager. In diesem Jahr spiele ich – außer bei der Sommer Rhapsodie in Wien -  noch in Gmunden am Traunsee und beim Edinborough Festival. Und zu meinem Jubiläum nächstes Jahr steht einiges an: Wir spielen in der Elbphilharmonie, Kölner Philharmonie, im Festspielhaus Baden-Baden, in der Wigmore Hall in London.

Wie entstand denn das Thomas Quasthoff Trio? Woher kennen Sie sich?

Wolfgang Meyer gehört ein Musikgeschäft, das „Haus der Musik“ in Detmold. Außerdem spielt er Geige und hat Bratsche studiert. Sein Hauptinstrument ist aber Jazz-Gitarre. Mit dem Posaunist Shawn Grocott hatte er zusammen ein Jazz-Duo, Shawn and the Wolf. Wir haben einmal zusammen ein Benefiz-Konzert in Detmold gespielt. Die Leute waren so begeistert, dass wir dachten, wir müssten das öfter machen. Die beiden sind unglaublich tolle Musiker und gehören außerdem zu meinen besten Freunden. Das macht einfach Spaß!

Und was macht Thomas Quasthoff, wenn er nicht Musik macht?

Lesen, außerdem schaue ich gern Sport – Tennis oder Fußball, oder auch mal einen Film. Ich treffe mich gern mit Freunden im Biergarten, also ganz normale Dinge.

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